Linum usitatissium L. oder Linum usitatissimum L. mediterraneum – welcher Flachs blüht hier? Pixabay Foto
Leinen wird aus Flachs gewonnen. Doch von welcher Pflanze aus der Familie der Leingewächse (Linaceae) sprechen wir dann? Welche liefert uns eher Öle? Welche steht gar unter Naturschutz?
Sollten Sie bei einem Spaziergang durch die Natur am Wegesrand blau blühenden Lein entdecken, dann halten Sie gerne inne und erfreuen Sie sich an diesem Anblick.
Pflücken Sie ihn auf keinen Fall, denn womöglich ist es nicht ein ‚ausgewilderter‘ Saatlein, sondern die wilde, ursprüngliche Schönheit mit dem Namen ‚Ausdauernder, beständiger oder immer währender Lein‘ (Linum perenne agg.), welche in Deutschland unter Naturschutz steht.
Und welche sich leider – ganz entgegen ihrer tröstenden Namensbedeutung – auf der roten Liste bedrohter Pflanzenarten wiederfindet.
Faserlein, auch Saatlein genannt, trägt den botanischen Namen Linum usitatissimum L. – was in etwa so viel wie ‚gebräuchlicher‚ üblicher oder gewöhnlicher Lein‘ bedeutet. Diese Nutz- und Bastfaserpflanze ist gemeint, wenn von Flachs für die Herstellung von Leinentextilien gesprochen wird.
PL. 56. Linum Usitatissimum L. – Atlas des plantes de France 1891, Autor Amédéé Masclef – Public Domain
Sie zählt zu den einjährigen Pflanzen, hat eine Pfahlwurzel, welche ziemlich tief (ca. 1,0 m) in den Boden wächst, ist wenig verzweigt, kann eine Höhe bis zu 1,60 m (0,80 -1,20 m ist gängiger) erreichen und besitzt Blüten mit fünf Kelchblättern, welche zumeist in den Farben blau, manchmal violett, rosa und weiß erblühen.
Die Blüten des Flachses entwickeln nach Selbstbefruchtung sogenannte Fruchtkapseln, die wiederum bis zu zehn eiförmige, glänzend hellgelbe bis dunkelbraune Samen enthalten.
Flachs gehört – was den Platz auf dem er wächst – eher zu den anspruchslosen Pflanzen. Er mag allerdings die Sonne, bevorzugt weniger nährstoffreiche Böden und benötigt – abgesehen von Magnesium, das über Kalidünger hinzugefügt werden kann – kaum menschliche ‚Hilfe‘ beim Wachstum.
Hat er einen guten Zugang zum Kapillarwasser (dem Teil des Bodenwassers, das in Verbindung zum Grundwasser steht), benötigt er gegebenenfalls nur während der Keimung oder in der Streckungsphase zusätzliche Bewässerung.
Sollen diese Flachsfasern später für die Textilgewinnung genutzt werden, dann muss darauf geachtet werden, dass die Anbauflächen vor der Aussaat (am besten) und auch während seiner Jugend unkrautarm sind.
Gegen Unkraut kann er sich nämlich nicht wehren und mechanische Hackstriegel (ein der Egge ähnliches Gerät in der Landwirtschaft, welches Unkraut auf großen Flächen entfernt) sind hierfür zumeist nicht zielführend.
Gesät wird Faserlein, der sich aufgrund seines geringen Nährstoffbedarfes und der Nachfruchtwirkung gut für den ökologischen Landbau eignet, relativ früh im Jahr. Aufgrund der Klimaveränderungen könnte/kann er heute wohl noch früher in den Boden.
Historisch oder traditionell betrachtet, sprach man hierzulande im Zusammenhang mit Flachs stets von der Zahl 100. Am 100. Tag des Jahres wurde gesät (also so im Zeitraum von Mitte April bis Anfang Mai), weitere 100 Tage für Wachstum (Erntezeit Ende Juli bis Anfang August) und nochmals 100 Tage über dem Boden (Tauröste* auf dem Feld und kopfüber hängend zur Trocknung in der Scheune)
Nicht zu verwechseln ist Faserlein mit Linum usitatissimum L. mediterraneum. Aus dem Lateinischen wortwörtlich übersetzt heißt dieses Familienmitglied der Leingewächse demnach ‚Gewöhnlicher, binnenländisch bzw. mitten im Land gelegener Lein‘.
Öllein – so seine deutsche Kurzbezeichnung – ist eine sogenannte Konvarietät (botanisch gesprochen für etwas zwischen einer Unterart und einer Varietät) und sieht dem Faserlein bei flüchtiger Inaugenscheinnahme ähnlich. Was seinen Stiel, Blüten, Anzahl und Farben der Kelchblätter betrifft, allemal. Auch im Hinblick auf Bodenverhältnisse, Unkrautabneigung, Wasserzugang und etwaige Bewässerung in der Jugend können beide ihre Verwandtschaft nicht leugnen.
Öl-Saatlein – und das unterscheidet ihn optisch sofort vom Faserlein – wächst lediglich 20 bis 80 Zentimeter hoch und verzweigt sich nach oben hin weitaus stärker. Er liefert uns, aufgrund seiner geringeren Höhe, keine der begehrten Langflachsfasern – welche zur Herstellung von Leinen allerdings benötigt werden.
Aus Öllein gewinnen wir (neben dem Stroh, was beide Sorten wieder verbindet) – wie der Name schon erahnen läßt – vor allem eines: Öle.
Sein Öl oder seine Frucht – Leinöl oder Leinsamen – sind uns seit jeher bekannt. Auch Linoleum-Fußboden besteht zu ca. 30% aus dem Öl dieser Pflanze. Sie erfreut sich – aufgrund von zunehmenden Änderungen von Ernährungsgewohnheiten oder bei der Suche nach ökologisch sinnvollen Materialalternativen (für eine Zukunft auf diesem Planeten) – stetig wachsender Beliebtheit.
Während die Anzahl genutzter Flächen für Öllein wieder langsam aber stetig steigt, ist der Anbau von Langfaserflachs in Deutschland komplett eingeschlafen. 1957 wurde der Leinanbau in der Bundesrepublik, 1979 in der DDR eingestellt.
Wurden zu Kaisers Zeiten noch rund 215.000 ha (Stand um 1850) damit bepflanzt, läßt sich heute nicht einmal mehr genau aus verschiedenen Statistiken entnehmen, ob Langfaserflachs zur Textilgewinnung darin überhaupt enthalten ist. Es gab Öko-Versuche Flachs für Textilien wieder selbst anzubauen, doch sind die Mengen wohl zu gering, um in einer Tabelle auftauchen zu können.
Wer sich fragt, woher die Redewendung „Eine Fahrt ins Blaue machen“ ursprünglich kommt, kann darin noch heute die Sehnsucht ablesen, sich in die Natur zu begeben und dabei von lauter prachtvoll, in einem sattem Blau blühenden Feldern mit Langfaserflachs umgeben zu sein.
In welchen Ländern der Flachs für Leinen noch heute eine große Rolle spielt, dazu mehr in ‚Flachsanbaugebiete- woher kommt Flachs?‚.
*Tauröste = eines von zwei möglichen Verfahren, um mit Hilfe der Natur (in diesem Fall Sonne, Regen und Tau) die Flachsfasern zu brechen, d.h. darin enthaltenen Bast leichter von der Faser zu trennen. Gut gerösteter Flachs hat eine hellgraue Farbe wie „ein alter Hase“ und besteht aus langen, weichen, sehr festen Fasern, die einen großen Zug aushalten. Die Röste ist entscheidend für die Güte des Garns und des daraus gewebten Leinens.
Quellen zum Thema Anbau des Faserleins Linum Usitatissimum L in Deutschland:
Bundesamt für Naturschutz (BfN), Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO)