Das grüne Pony

Leinen-Stoffreste und was sich daraus Sinnvolles nähen läßt

Und schwupps ist es schon November. Die Bäume schütteln ihre Blätter ab, früh morgens ist es noch dunkel und der Himmel zeigt sich immer öfter in seinem milchig-trüben Grauweiß.


Im Pony-Nähatelier wurde und wird inzwischen täglich fleißig genäht und gestickt. Einige Eco-Modelle in XL sind fertig und halten dem eigenen Perfektionsanspruch mittlerweile stand, doch es gibt auch Momente des Scheiterns. Hosen sind so ein Beispiel. Zusammen mit einer ortsansässigen Schneidermeisterin hatte ich im Sommer eine Leinenhose aus Weißleinen nach einer gekauften Schnittmuster-Vorlage genäht. Nachdem dieses Modell als solches ganz ordentlich geworden ist, wollte ich es mit anderen Leinenstoffen erneut versuchen – doch die Resultate zeigten mir deutlich: lass es. Hosen sind einfach noch eine Nummer zu groß für eine Hobbynäherin, die später mal korpulenten, großen Frauen ein nachhaltiges, wertiges und gut sitzendes Kleidungsstück anbieten möchte. 


Ich habe sie wieder aufgetrennt und konzentriere mich vorerst auf das, was ich mittlerweile schon besser kann:  Eco-Oberteile in XL mit dem gewissen Etwas oder Extra, sportlich-chic, eher zeitlos und farblich abgestimmt nach Pony-Gusto, manche davon sogar ‚verwandelbar‘. Diese Unikate wird es nur analog zu sehen geben, wer also ein Beispiel davon hier auf diesem Blog sucht, sucht vergebens. 


Es ist Voltaire gewesen, der sein moralisches Märchen ‚La Bégueule‘ mit den Worten beginnt: „Dans ses écrits, un sage Italien – Dit que le mieux est l’ennemi du bien.“ (In seinen Schriften schreibt ein weiser Italiener – Sagt, dass das Bessere der Feind des Guten ist.) woraus sich der heutzutage verwendete Aphorismus „Perfect ist the enemy of good“ entwickelt haben soll, der bedeutet, dass das Beharren auf Perfektion oft die Umsetzung guter Verbesserungen verhindert. Es mag unmöglich sein, absolute Perfektion zu erreichen; man sollte nicht zulassen, dass das Streben nach Perfektion der Wertschätzung oder der Ausführung von etwas, das zwar unvollkommen, aber dennoch wertvoll ist, im Wege steht. (Quelle: Wikipedia)


In meinem heutigen Blogbeitrag geht es vor allem um Wertschätzung. Wertschätzung für ein perfekt gewebtes Stück Leinentuch, das aufgrund eines Zuschnittes oder eines Fehlentwurfes in einer meiner Stoffreste-Tüten gelandet ist. Und da nicht bleiben soll. Nach welchem Pony-System Stoffreste sortiert werden, lässt sich hier nachlesen.   

Eigene Sortierung von Stoffresten mit dem Ziel, das alles verwendet wird

Was lässt sich nun also aus entstandenen Leinen-Stoffresten gestalten?

Das kunterbunte Durcheinander an unterschiedlichen Leinenstoffresten kommt auf den Tisch und wird für ein anstehendes Projekt erst einmal wieder nach Farben, die miteinander harmonisieren, sortiert.

So wenig wie möglich wegwerfen, das ist das erklärte grüne Pony-Ziel. Die Anzahl der Restetüten nicht einfach erhöhen, sondern sobald sie gefüllt sind, etwas Neues daraus machen. Da ich ja noch relativ am Anfang in der Ausstattung meines kleinen Nähateliers stehe, fehl(t)en noch ein paar nützliche Utensilien wie z.B. ein Bügelei. 


So ein Bügelei hilft einem beim Bügeln insofern als frau/man damit an Rundungen (z.B. beim Glattbügeln von Nahtzugaben) besser rankommt. Meine Restetüte mit den kleinsten Stoffschnipseln war/ist schnell gefüllt und das Bügelei zählte zu den ersten Projekten. Zugegeben, es ist vielleicht etwas groß geworden, doch praktisch ist es allemal. 

Ein Bügel-Ei aus Leinen-Stoffresten, prall gefüllt mit kleinsten Leinenstoff-Schnipseln und übrig gebliebenen Vliesfetzen.

Ein Türstopper, damit die Klinke der Badtür nicht an die Fliesen knallt, folgte nach dem selben Prinzip. Und natürlich durfte auch eine Beschilderung des Türeinganges nicht fehlen. 

Ein paar sogenannte Utensilos zum Verstauen des aus PET-Flaschen recycelten Nähgarns oder bereits zugeschnittene, mit (Rest-) Recycling-Vlies versehene Stoffreste erschienen aus Pony-Sicht ebenso sinnvoll. 

Utensilo, gefertigt aus Resten von gröberem Leinen (außen) und Batistleinen (innen) für aus PET-Flaschen recycletes Nähgarn
Aufbewahrung von bereits zugeschnittenen Leinenresten, die schon mit Resten des Recycling-Vlieses versehen sind

Oder einfach ein Geschenk aus einem Reststoff Jeansleinen für den neuen Hund von Bekannten. Leider habe ich hierfür noch Klettband (Polyester) benutzt, doch sollte ich nochmals ein Hundehalstuch nähen, dann ließe sich ein geeigneter, robuster und verschlucksicherer Verschluss zukünftig auch aus Metalldruckknöpfen realisieren.

Für zwei Wände im Zuschneideraum suchte ich nach einer Dekorationsmöglichkeit, die noch mindestens einen, besser zwei sinnvolle Zusatzeffekt(e) haben sollte und entschied mich dafür Stickrahmen aus Bambus (laut Søstrene Grenes Import A/S FSC- zertifiziertes Bambus, was mir vorher noch nicht begegnet war) mit Leinenreststoffen zu bespannen. Das Leinen habe ich vorab mit Recycling-Vlies F220 von Vlieseline, das es in weiß oder anthrazit gibt, für etwas mehr Stabilität versehen, wodurch sich auf ein zusätzliches Stickvlies verzichten ließ.

 

Diese zahlreichen Stickringe – die die absoluten Vorzüge und nachhaltigen Eigenschaften von europäischem Leinen über eine Art analoge Twitterwand visuell in Erinnerung rufen – sorgen überdies hinaus für eine kleine Verbesserung in der Raumakustik.

 

Stoffreste verwertet, Dekoration geschaffen, Akustik verbessert, Wissenswertes über Leinen visualisiert und zu guter Letzt im wahrsten Sinne des Wortes einen Rahmen gefunden, um daran zu erinnern was für ein wunderbares Geschenk dieses Naturgewebe doch ist. Kann frau/man Stoffreste noch sinnvoller verarbeiten? Bestimmt, doch diese Art der Gestaltung aus Stoffresten hat Freude bereitet und sie ist eine grüne Pony-Wertschätzung an das Gewebe. Nebenbei bemerkt, dieses Projekt ist noch nicht vollendet. 

Stickrahmen - bespannt mit Naturleinen, das vorab mit Recycling-Vlies versehen und bestickt wurde.
Alles was Leinen ist und kann, stets im Blick

Und wohin mit den kleineren Leinenstoff-Resten? Was läßt sich Nützliches daraus nähen?

So weit, so gut. Doch wenn ich weiterhin Stoffreste beim Nähen der eigentlich im Fokus stehenden nachhaltigen Oberbekleidung produziere, was mache ich dann damit? Das 100. Bügelei? Das konnte nicht die Lösung sein. Ein Pony-konformer ganzheitlicher Ansatz musste her. Insbesondere für die mittleren oder kleineren Stoffreste, die unter dem DIN-A4-Format lagen und oftmals ‚keine längere gerade Strecke‘ mehr hergaben. 

Das Recycling-Vlies ist in der gewünschten Streifengröße geschnitten und nun wird geschaut, welche und wieviele Stoffreststücke auf einen Vliesstreifen passen. Idealerweise sollten die Stoffreste etwas über das Vlies lappen, da pro Stoffrest ja noch Nahtzugabe eingerechnet werden muss, wodurch sich der neue Patchwork-Leinenstoff in seiner Fläche natürlich wieder verkürzt. Hat man/frau das erst einmal geschafft, werden die Streifen auf die Vliesgröße zurückgeschnitten und können dann wiederum mit anderen Streifen vernäht werden.

Ich würde Stoffreste wieder zusammennähen müssen und daraus etwas Sinnvolles, zur Oberbekleidung Passendes kreieren. Also habe ich kleine Reststoffstücke bspw. auf Quadrate, Dreiecke oder nach der sogenannten Kassenbon-Methode (die ich in eine Recycling-Vlies-Methode abgewandelt habe, da Kassenbons aufgrund des verwendeten, chemikaliengetränkten Thermopapiers laut Umweltbundesamt besser NICHT im Altpapier entsorgt werden sollten) zugeschnitten, miteinander vernäht und anschließend mit eben diesem vorab zugeschnittenen Recycling-Vlies-Streifen verstärkt. 

Dadurch entsteht ein komplett neuer Patchwork-Stoff aus hochwertigem Leinen, aus dem ich nun kleine Umhänge-Taschen, Tragetaschen, Einkaufsbeutel, Kleingeldtäschchen und Schlüsselanhänger und mehr gestalten kann. Es ist sehr viel aufwändiger als einfach einen Stoff zuzuschneiden und dauert seine Zeit, doch so entstanden und entstehen wirkliche Unikate. 


Jedes, der nachfolgenden ersten Beispiele, ist ein unikales Einzelstück. Vielleicht nicht perfekt in der Ausführung, doch in seiner Grundstruktur sehr umweltorientiert und tierleidfrei hergestellt, praktisch und obendrein – wie ich finde – auch hübsch anzusehen. Ich habe ihnen Namen gegeben – zum Einen, weil ich viel Zeit mit ihrer Entstehung verbracht habe und zum Anderen, weil ich hoffe, das etwas mit einem Namen mehr Wertschätzung findet. Nicht neu, aber ein weiterer Pony-Versuch daran zu erinnern, das hinter jedem Produkt, das wir kaufen letztendlich ein Mensch steht, der daran beteiligt war. 


Mein großes Vorbild diesbezüglich ist und bleibt meine Oma. Niemand konnte gründlicher und mit einer nahezu kindlichen Enthusiastik, Begeisterung und Freude alle Eigenschaften, Vorzüge, Raffinessen, Stoffarten, Verarbeitung, Anzahl einzelner Fächer, die Sinnhaftigkeit von etwaig vorhandenen Reißverschlüssen, die Größe oder Praktikabilität, die allgemeine Haptik und die Schönheit der Farbzusammenstellungen und/oder Muster eines simplen, gerade erstandenen Einkaufsbeutels besser beschreiben als sie.

TILDA

Eine Tragetasche aus Resten von Weißleinen, Jeansleinen, Naturleinen und belgischem Leinen. Die Henkel habe ich zu Beginn noch aus Hanfgurten erstellt, die ich noch hatte - weitere Taschenmodelle haben Griffe aus Leinen, das mit Recycling-Vlies verstärkt wurde.

Ernestine & Familie

Diese Taschen und Schlüsselanhänger sind aus Resten von Weißleinen, Naturleinen und Jeansleinen genäht und verfügen über nickelfreie Metalldruckknöpfe respektive tierleidfreien Steinnussknöpfen. Auch in diesem Beispiel wurden als Griffe Hanfgurte verwendet.

Adelia

Diese kleine Tasche wurde aus italienischem Vollleinen aus gewerblicher Überproduktion, aus einem sehr jeansähnlichem Jeansleinen und einem litauischen Leinen mit Oekotex Siegel kreiert. Hier sind die Griffe etwas breiter gestaltet und bestehen aus Jeansleinen-Stoffresten.

Dagny

Tasche, Schlüsselanhänger und kleines Täschchen sind aus einem Mix aus unterschiedlichen Leinenqualitäten und Farben hergestellt. Rosa = belgisches Feinleinen, Lilac, Coral Red und Old Rose = Leinen nach European Flax Standard von Mind the Maker und der dunkle Fudge-Ton ist italienisches Leinen aus Überproduktion der Modeindustrie/ Fabric House.

Jannike

Vorder-oder Rückseite - diese kleine Tragetasche ist aus Resten von belgischem Leinen (hellblau), italienischem Batistleinen (dunkelblau), europäischem Weißleinen und Leinen nach dem European Flax Standard (der Nougat-Farbton) produziert, entstanden.
Einige Nähte sind zusätzlich mit Stickgarn in korrespondieren Farben verziert und auch die Henkel aus dem Batistleinen (mit Recycling-Vlies verstärkt) erhielten noch eine zusätzliche Stickerei.

Elodie & Joelle

Für diese lustige kleine Wendetasche, die mich persönlich durch ihre Formen ein wenig an das Kleingeld-Portemonnaie meiner Oma erinnert, besteht aus Resten litauischen Leinens (blau), robustem Jeansleinen und dunkelblauem, italienischen Leinen aus Überproduktionen. Sind innen und außen verschiedene Farben gewählt, hat man/frau gleich zwei Taschen in einer.

Waldemar, Manfred, Robert, Artus, Egmond

Verschiedene Kulturbeutel, innen und außen aus reinem Leinen.

Für so ein Kulturtäschchen wird insgesamt rund 1 Meter Stoff (Innen- und Aussenstoff), etwas Recycling-Vlies sowie ein Reißverschluss benötigt. Manchmal gaben die Leinen-Reste gerade noch soviel her, dass sie (wieder zusammengenäht) auf die benötigten Maße gelangten, manchmal war genügend Reststoff vorhanden. 

 

Bei dem obersten Modell (Manfred) habe ich nur die Webkanten, die ich ja separat sammle, verwendet. Das Zusammennähen zu einer neuen Stofffläche war dadurch zwar etwas aufwändiger, doch das Resultat ist – wie ich finde – ein besonders uniquer Hingucker geworden.

Materialverwendung auf einen Blick

Wie das Thema Nachhaltigkeit – neben dem ausschließlich gewählten, Eco-freundlichen Stoff LEINEN –  beim eigentlichen Nähen und Sticken aussieht, wird unter anderem in den Blogbeiträgen  ‚Leinengewebe, welches sind die nachhaltigsten?‘ Teil 1 und Teil 2 sowie ‚Leinenstickerei à la grünes Pony ausführlicher beschrieben. Die Kurzfassung zu den auch hierfür verwendeten Materialien lautet wie folgt: 

Stoffreste –  allesamt aus europäischem Vollleinen

Reste von Hanfgurtband bei nur einigen Modellen

Stickrahmen aus Bambus, 19 cm Durchmesser (laut Søstrene Grenes Import A/S ist es FSC- zertifiziertes Bambus)

Nähgarn – Gütermann rPET Allesnäher, hergestellt aus zu 100% recyceltem Polyester, Rohmaterial liefern PET-Flaschen

Bügelvlies – F220/304 von Vlieseline, aus zu 100% recyceltem Polyester

Stickgarn – Madeira Sensa Green, aus 100% TENCEL™ Lyocell

Magnetdruckknöpfe aus Metall, 14 mm Durchmesser

Metallreißverschlüsse von YKK

1 Steinnussknopf 

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