Leinen - im Königreich Hannover
Lassen wir einen Zeitzeugen zu Worte kommen…
Wilhelm Woltmann, königlicher Leggeinspektor (Legge = Stelle, die Güterprüfungen insbesondere von Leinen durchführt) gibt in seinem 1873 erschienenen Buch ‚Zur Statistik der Leinenindustrie und des Leggewesens der Provinz Hannover‘ in seiner Einleitung einen guten Überblick über diese Epoche.
… Weniger dem Raume, als vielmehr dem Quantum nach hat die Leinenproduktion im Hannoverschen in ihrer von Alters her überkommenden Betriebsweise eine Beschränkung erfahren; nicht mehr die Hälfte der Bewohner der jetzigen Provinz Hannover beschäftigt sich, wenigstens nicht anhaltend wie früher mit Spinnen und Weben, nicht mehr jedes Landgut selbst nicht einmal jede Hütte führen noch Spinn- und Webgerätschaften als Hausgeräte. Mancher Webstuhl, der vormals Tag und Nacht in Bewegung gewesen, ist im Laufe der Jahre der Rumpelkammer überwiesen. Der Landmann kauft jetzt mehrfach lieber die fertige Leinwand, als dieselbe selbst zu weben oder weben zu lassen.
Das sind Erscheinungen und Tatsachen, denen wir unsere Augen nicht verschließen können. Wollen wir ihren Ursachen nach gehen, so muß in wie verschiedenen Verhältnissen des wirtschaftlichen Lebens auch sonst das Zurückgehen der Leinenfabrikation nach der althergebrachten Weise begründet liegt, die nächste Erklärung dafür doch immer in der Betriebsweise selbst gesucht werden. Die letztere selbst - Handbetrieb ohne Teilung der Arbeit - ist es, welche den Keim der Vergänglichkeit in sich trägt; sie erweist sich dem modernen Industriebetriebe gegenüber nicht mächtig genug, um mit diesem Schritt halten zu können.
Hat nun aber auch die Leinenindustrie in Hannover, insoweit dieselbe als eine für den großen Verkehr arbeitenden H a u s i n d u s t r i e auftritt, an ihrer einstigen Bedeutsamkeit verloren, so nimmt sie unter den verschiedenen Gewerben und Industrien der Provinz doch immer noch einen wichtigen Platz ein. Diese Industrie hinsichtlich ihres gegenwärtigen Zustandes, ihrer Produktions-, Wert- und Absatzverhältnisse mit besonderer Berücksichtigung des Leggewesens, das in seiner weiteren Ausdehnung seit nunmehr 100 Jahre ihre Stütze gewesen ist, statistisch darzustellen, ist der Zweck dieser Schrift. …