Aus Flachs wurde das erste von Menschen hergestellte Textil gefertigt.
Fragmente von Leinentextilien wurden in einer Höhle im Kaukasus (Georgien) entdeckt.
Quellen: European Flax® Alliance, Harvard University

Aus Flachs wurde das erste von Menschen hergestellte Textil gefertigt.
Fragmente von Leinentextilien wurden in einer Höhle im Kaukasus (Georgien) entdeckt.
Quellen: European Flax® Alliance, Harvard University

Auch Sumerer und Ägypter nutzten die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Flachs früh. Flachsanbau und Leinenweberei waren dabei für die Wirtschaft von grundlegender Bedeutung.
In Ägypten wird Flachsanbau bis heute auf einer Fläche von geschätzt ca. 8.500 ha betrieben. Für die Gebiete zwischen Euphrat und Tigris (heute Irak und das nordöstliche Syrien) lagen für einen aktuelleren Zeitraum keine statistischen Werte vor.
Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations

Die Phönizier erkannten den Handelswert des Leinengewebes und so kam es bis nach Schottland, Persien, Indien und China.

Alexander der Große trug eine Linothorax-Rüstung, die aus 15-20 Lagen Leinen bestand, das in Leinsamenöl getränkt und durch Luftoxidation gehärtet war. Dies war der erste Verbundstoff der Welt.
Wer sich das Mosaik mal anschauen möchte, worauf diese Rüstung zu sehen ist, kann nach Neapel fahren oder per Klick diesem Link zum Nationalmuseum dorthin folgen, etwas weiter nach unten blättern bis zur Schlacht in Pompeji, Haus des Fauns.
Alexander ist derjenige, der ohne Helm auf einem Pferd (vermutlich ein fuchsfarbener Araber) sitzend, links im Mosaik, zu sehen ist.

Während der Gallischen Kriege war Julius Cäsar von der Qualität der Textilien beeindruckt, die in den flämischen Ebenen von einer Bevölkerung hergestellt wurden, die er als Belgae bezeichnete - abgeleitet vom keltischen Wort für Flachs.
Das begehrteste Leinen wurde vom Stamm der Atrebaten hergestellt, den Vorfahren der Menschen, die in der Region Arras (im Norden Frankreichs, im Département Hauts de France) leben.

Karl der Große bemühte sich um die Ausweitung der Leinenproduktion. Während seiner Regentschaft verfügte er, dass alle Haushalte Leinen weben mussten.

Wilhelm, Herzog der Normandie, reißt nach der bekannten Schlacht bei Hastings die Krone Englands an sich und geht damit als Wilhelm der Eroberer für immer in die Geschichte ein.
Auf einem Wandteppich aus Leinen - stolze 68,38 Meter lang und 48 bis 53 Zentimeter breit - wird in detaillierter Form, in Bild und Text, mittels Stickereien, über dieses Ereignis aus dem 11. Jahrhundert berichtet.
Dieses einzigartige Meisterwerk des Hochmittelalters zählt seit 2007 zum Weltdokumentenerbe der UNESCO und kann im Original im Museum des Teppichs in der Normandie oder als Kopie im Reading Museum in der britischen Grafschaft Berkshire bestaunt werden.

Im 13. Jahrhundert entwickelte Jean Baptiste, ein Weber aus der Region Cambrai in Frankreich, ein Webverfahren für besonders feines Leinengewebe. Ihm zu Ehren wurde es Batist genannt.
Dieses filigrane Leinengewebe - oder 'gewebtes Mondlicht' wie Leinen dieser Güteklasse auch zuweilen genannt wird - wurde nach Italien, Spanien und Flandern exportiert. Bei Königen und Königinnen war es besonders beliebt, daher bleibt Batist bis heute das 'Tuch der Könige'.

Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes in Frankreich flohen mehr als 6.000 protestantische Weber und Klöppler in die Niederlande, die Schweiz, nach Deutschland, England und Irland, um ihr Fachwissen über die Leinenherstellung weiterzugeben.

Um Leinen gewinnen zu können, muss Flachs gesponnen werden. Dieser Bereich der Textilgewinnung geschieht in europäischen Privathaushalten lange manuell mit einem sogenannten, unten abgebildeten, Spinnrad.
Für die Produktion in Frankreich ansässiger Unternehmen ermutigte Napoleon dazu, eine Flachs-Spinnmaschine zu erfinden und setze sogar am 7. Mai 1810 für den Erfinder eine Belohnung in Höhe von 1 Mio. Francs aus.
Die er übrigens nie gezahlt haben soll, obgleich Philippe Henri de Girard eine solche Flachs-Spinnmaschine erfindet und diese Anfang Juli 1810 patentieren läßt - womit damit das mechanische Spinnen von Garn realisiert war.

Unterdessen war man in Großbritannien erfinderisch gewesen, was bei dem später von Napoleon ausgerufenen Handelsembargo, der sogenannten Kontinentalsperre (1806-1813), hilfreich gewesen sein dürfte.
Der Weber James Hargreaves aus Lancashire erfand 1764 die Spinning Jenny, deren Namen Jenny sich wohl aus dem englischen Wort 'Engine' (Motor) entwickelte - denn weder seine Frau, noch eines seiner 13 Kinder hieß Jenny.

In Großbritannien nahm die Industrialisierung ihren Anfang und breitete sich so rasant wie ein Flächenbrand über ganz West- und Mitteleuropa aus.
Was vorab mit der Hand hergestellt wurde, erledigten nun größtenteils Maschinen - wie dieses gedoppelte Foto über eine Leinenweberei mit 1.000 Webstühlen - aus der irischen Stadt Belfast, zeigen soll.
Damit verändert sich nicht nur die Herstellung des Textils Leinen, sondern auch das Leben der Menschen, die damit seit jeher hauptberuflich als Weber/innen oder in Lohn und Brot sichernder, zusätzlicher Heimarbeit zu tun hatten.
Auf der Suche nach Arbeit, war man/frau ab jetzt gezwungen sein(e)/ihr(e) Region, Dorf oder Stadt zu verlassen - wodurch Familien auseinandergerissen wurden.

Das stark agrarisch geprägte Deutsche Kaiserreich - von seiner Gründung 1871 bis zum Ende der Monarchie 1918 mit Wilhelm II. König von Preußen an der Spitze - tat sich anfänglich schwer mit der Industrialisierung. Es baute vor dem 1. Weltkrieg dann allerdings seine Position gegenüber dem Industriepionier Großbritannien aus.
Zwischen 1880 und 1900 lag das Kaiserreich im Vergleich der Industrieländer bereits an dritter Stelle. Im Jahr 1913 hatte Deutschland mit 14,8 % Großbritannien (13,6 %) überholt.
Spezifische, zusammenfassende Kennzahlen der deutschen Leinenindustrie innerhalb dieser föderalen, konstitutionellen Monarchie waren für mich nicht zu ermitteln.

Lassen wir einen Zeitzeugen zu Worte kommen…
Wilhelm Woltmann, königlicher Leggeinspektor (Legge = Stelle, die Güterprüfungen insbesondere von Leinen durchführt) gibt in seinem 1873 erschienenen Buch ‚Zur Statistik der Leinenindustrie und des Leggewesens der Provinz Hannover‘ in seiner Einleitung einen guten Überblick über diese Epoche.
… Weniger dem Raume, als vielmehr dem Quantum nach hat die Leinenproduktion im Hannoverschen in ihrer von Alters her überkommenden Betriebsweise eine Beschränkung erfahren; nicht mehr die Hälfte der Bewohner der jetzigen Provinz Hannover beschäftigt sich, wenigstens nicht anhaltend wie früher mit Spinnen und Weben, nicht mehr jedes Landgut selbst nicht einmal jede Hütte führen noch Spinn- und Webgerätschaften als Hausgeräte. Mancher Webstuhl, der vormals Tag und Nacht in Bewegung gewesen, ist im Laufe der Jahre der Rumpelkammer überwiesen. Der Landmann kauft jetzt mehrfach lieber die fertige Leinwand, als dieselbe selbst zu weben oder weben zu lassen.
Das sind Erscheinungen und Tatsachen, denen wir unsere Augen nicht verschließen können. Wollen wir ihren Ursachen nach gehen, so muß in wie verschiedenen Verhältnissen des wirtschaftlichen Lebens auch sonst das Zurückgehen der Leinenfabrikation nach der althergebrachten Weise begründet liegt, die nächste Erklärung dafür doch immer in der Betriebsweise selbst gesucht werden. Die letztere selbst - Handbetrieb ohne Teilung der Arbeit - ist es, welche den Keim der Vergänglichkeit in sich trägt; sie erweist sich dem modernen Industriebetriebe gegenüber nicht mächtig genug, um mit diesem Schritt halten zu können.
Hat nun aber auch die Leinenindustrie in Hannover, insoweit dieselbe als eine für den großen Verkehr arbeitenden H a u s i n d u s t r i e auftritt, an ihrer einstigen Bedeutsamkeit verloren, so nimmt sie unter den verschiedenen Gewerben und Industrien der Provinz doch immer noch einen wichtigen Platz ein. Diese Industrie hinsichtlich ihres gegenwärtigen Zustandes, ihrer Produktions-, Wert- und Absatzverhältnisse mit besonderer Berücksichtigung des Leggewesens, das in seiner weiteren Ausdehnung seit nunmehr 100 Jahre ihre Stütze gewesen ist, statistisch darzustellen, ist der Zweck dieser Schrift. …

Ein junger Weber aus Hannover zieht der Liebe wegen 1765 nach Steinhude und gründet dort eine Leinenweberei, die bis heute - seit nunmehr 9 Generationen - erfolgreich besteht.
Diese Leinenfabrik - wie sie sich heute nennt - ist damit nicht nur die älteste ihrer Art in Deutschland, sondern zudem die einzig verbliebene - von vormals zahlreich vorhandenen - kleinen wie großen Webereien im Umkreis Hannovers.
Unten abgebildet ist die Mechanische Weberei zu Linden um ca. 1890 (damals noch nicht zum Stadtgebiet von Hannover gehörend). Sie bestand bis 1961 dort, wo nun seit 1972 das Ihmezentrum seinen Platz hat.
