Das grüne Pony

Leinenstickerei à la grünes Pony

Sticken – was für ein riesiges, die ganze Welt umspannendes und Jahrhunderte altes Thema. Früher wurde – in Ermangelung von Maschinen  – nur per Hand gestickt, heute zur Entspannung gerne wieder. Mal sehr edel, mal eher kitschig, mal mit Motiven aus der Natur, mal abstrakt, mal historisch, mal zeitgenössisch etc. pp oder halt mal nur als Monogram. Mal in, mal out. Nie weg.

Mit dem Besticken von Gewebe läßt sich etwas ausdrücken, schmücken, verzieren, verschönern und damit ganz individuell gestalten. Sticken ist eine derart facettenreiche Kunst, dass es mir unmöglich erscheint auf die einzelnen Techniken, die vielseitig vorhandenen Stickarten und deren Anwendungsgebiete im Einzeln näher einzugehen. Das imposante Spektrum lässt sich von einfachen Hohlsäumen, über Biesen, Dekore, Weißstickerei, Ajour- oder Madeira-Stickerei, Richelieu-, Goldwork- oder Landschaftsstickerei sowie unendlich viele andere, regional und international verwendete Formen spannen – und umfasst dabei Hunderte von möglichen Sticharten.  

 

Leinen bietet sich zum Besticken geradezu an. Und da die Pony-Entscheidung ja  – aus bereits genannten Eco-Gründen – bewußt auf dieses Gewebe gefallen ist, lag es nahe sich damit zu befassen. Per Hand sticken wollte ich nicht, dazu fehlt mir die Muße oder auch das Talent, also habe ich bei der Wahl der Nähmaschine darauf geachtet, dass diese ebenso gut nähen wie sticken kann.

 

In dieser Blogrubrik wird es künftig um Stickereien à la grünes Pony gehen, die mit der Maschine erstellt wurden – und selbst hier ist die Bandbreite von Möglichkeiten sehr groß. 

Das grüne Pony und Böörnie – das fertige Stickmotiv

Mein erstes, größeres Stickprojekt: Das grüne Pony

In der Vorweihnachtszeit hatte ich mich schon mal vorsichtig ans Sticken herangetastet, einen Adventskalender aus kleinen Leinensäckchen genäht und diese mit den entsprechenden Ziffern bestickt. So konnte ich mich schon leicht mit der Materie des Stickens anfreunden und auch die Maschine in diesem Zusammenhang besser kennenlernen.


Böörnie, wie ich meine Schweizer Maschine nenne, hat so ihre speziellen Eigenarten. Ich habe mir natürlich in ein paar Lehrstunden vorweg die Nähmaschine ausführlichst erklären lassen, doch es ist dann doch etwas anderes, wenn frau alleine loslegt. Gut, dass Böörnie stets sagt, was ihm nicht passt. Okay, manchmal weiß ich nicht immer gleich, was er von mir will – doch mittlerweile ergänzen wir uns ganz gut. 


Dass es das grüne Pony auch in einer gestickten Version geben sollte, war von vorne herein der Plan. Da ich im Freihand-Sticken noch nicht so geübt bin, brauchte ich also eine Stickmotiv-Vorlage. 

Von der Grafik zur Erstellung einer Stickdatei

Die Grafik des ‚Das grüne Pony‘ (in verschiedenen Ausführungen) war eine Auftragsarbeit für die, in Hannover lebende Künstlerin Philine Delekta. Um ein möglichst gutes Stickergebnis zu erhalten – was sich über kostenlose Formate im Internet wohl nicht immer sauber realisieren lässt – habe ich die Erstellung einer Stickvorlage (für Böörnie) ebenfalls in professionelle Hände gegeben.

 

Ich möchte hier überhaupt keine Werbung machen (wofür auch), doch mit der Arbeit von Massimo Baezzato (ConStitch Stickdesign) sind das Pony, Böörnie und ich sehr zufrieden. Ob es noch besser geht? Schon möglich, doch dafür fehlen mir als Neuling noch etwaige Vergleichsmöglichkeiten. 

Auszug aus dem gesamten Stickmotiv ‚Das grüne Pony‘ 

Läßt sich der Nachhaltigkeitsgrad des Stickens verbessern?

Natürlich ist das die Pony-Frage, die immer im Raum steht und Antworten sucht. Lange bevor es ans eigentliche Sticken ging, hieß es also wieder mal vorab recherchieren.

 

Der Leinenstoff, den ich für dieses Stickprojekt ausgewählt habe, ist ein schweres (280g/qm), vorgewaschenes (90°Grad), naturbelassenes Gewebe – zu 100% aus Leinen bestehend – in der Farbe des Flachses und damit in einem erdigen Natur-Grau.

 

Es wird sich im Laufe der Zeit – wie alle Leinengewebe – verändern, weicher werden und damit fluffiger fallen. Dieses Naturleinen ist kochfest und möchte bei starker Verschmutzung mit Bio-Waschmittel bei 60-90° Grad gewaschen werden – ansonsten bringt es die gleichen Eigenschaften wie alle Leinengewebe mit, es ist in gewisser Weise selbstreinigend. Mehr dazu bald unter Leinenpflege. 

 

Dem Umweltaspekt der verwendeten Pony-Leinen wurde in zwei vorherigen Beiträgen in der Blogecke ‚Leinengewebe- welche sind die nachhaltigsten?‚  ja bereits Aufmerksamkeit geschenkt. Hier nun geht es um benötigte, zusätzliche Materialien. 

 

Welches Stickgarn für das grüne Pony?

Foto von Bonnie Hawkins auf Unsplash

Die Pony-Suche nach geeignetem Stickgarn zog sich hin. Am liebsten hätte ich das Pony-Leinen natürlich mit Leinenstickgarnen verziert, doch die, die ich fand, wären nicht fürs Sticken mit der Maschine geeignet gewesen. Offenbar können auch die besten Nähmaschinen (zumindest die für den privaten Gebrauch) Leinenstickgarne/ Leinengarne (und auch Leinenzwirne) nicht ab, einfach nicht verarbeiten – ohne die Maschine dabei zu beschädigen. Sehr häufig findet sich dieser Hinweis. Warum das bis heute so ist, erklärt sich mir allerdings nicht.

 

Nennen Sie mich gerne einen Leinen-Freak, doch ich suchte eine Option ohne Baumwolle. Nach tagelanger Recherche, dem Vergleichen von etlichen Produktbeschreibungen und etwaigen Zertifizierungen fiel die Wahl letztendlich auf die Sensa Green Linie von Madeira. Dieses Garn wird aus TENCEL™ Lyocell-Fasern gewonnen, die wiederum aus Zellulose (pflanzliche Zellwände) gewonnen werden. Lyocell-Fasern als solches werden unter dem Oberbegriff Regeneratfasern aufgeführt, womit sie zu den Chemiefasern zählen, welche sowohl aus pflanzlichen als auch aus tierischen Rohstoffen bestehen können.

 

Die TENCEL™ Lyocell-Fasern sind pflanzlichen Ursprungs, damit Tierleid-frei und biologisch abbaubar. Der Wasserverbrauch zur Herstellung dieser Garne soll weitaus geringer sein als der zur Herstellung von Baumwollgarnen – was eine weitere Entscheidungshilfe war. Zur fehlenden Transparenz in Sachen Färbeverfahren, Produktionsort und Lieferkette bleiben benannte Pony-Bedenken (Blogbeitrag über Leinengewebe), doch wer mit bunten, Maschinen-geeigneten Stickgarnen gestalten möchte (so wie ich), dem/der bietet sich derzeit nicht gerade eine große Eco-Auswahl.

 

Womit ich zum letzten Pony-Entscheidungspunkt komme: die Verfügbarkeit für Hobbynäher/innen und die Farbenvielfalt. Beides ist bei den Madeira-Stickgarnen gegeben. Über 100 unterschiedliche Farben sind erhältlich. Und Böörnie scheint sie auch zu mögen.

Stickvlies und eine erste Pony-Erkenntnis

Wasserlösliche Stickvliese in zwei Varianten – die künftig nicht mehr beim Pony ihre Verwendung finden 

Zum Stabilisieren wird während des Stickvorgangs oftmals ein Vlies benötigt. Davon gibt es so allerhand – zum Kleben, zum Sprühen oder einfach zum Drunterlegen. Zu Beginn war ich der Ansicht, dass sich darauf – aufgrund des eher festeren Leinengewebes – vielleicht sogar ganz darauf verzichten ließe. Doch die Tipps, die ich von überall erhielt, sprachen immer von Vlies für ein besseres Stickergebnis. Die Pony-Entscheidung fiel daher im Nähmaschinen-Geschäft eher spontan und zunächst – als ein Test – für jeweils eine kleine Rolle ‚Avalon Film‘ und ‚Avalon Plus‘ von Madeira aus. Beide sind wasserlöslich und damit rückstandsfrei wieder aus dem Gewebe zu entfernen und beide sind zu 100 Prozent aus Vinylal. Doch was ist Vinylal überhaupt?

 

Bei der Recherche nach dem Begriff fand ich nur bei Wikipedia einen halbwegs zufrieden stellenden Artikel über die Herkunft (Nordkorea), die Varianten der Benennung ‚Vinalon, Vinylon oder Juche-Faser‘ und damit den Hinweis, dass es sich letztendlich um eine chemische Kunstfaser handelt. Je weiter ich las, desto mulmiger wurde mir. Nicht nur, dass die Grundlage zur Erstellung von Vinylal im Wesentlichen Kalkstein und Anthrazit (also Steinkohle) bildet, auch die weiterführenden Erläuterungen zum Produktionsprozess lassen – auch ohne große Kenntnisse in organischer oder anorganischer Chemie – vermuten, dass dafür zum einen (für die Gewinnung der Grundlagen) stark in die Natur eingegriffen werden muss/wird und zum anderen weitere chemische Bestandteile notwendig sind. Kann so ein Stoff biologisch abbaubar sein? Und dann noch übers Abwasser? Was hatte ich da nur gekauft?

 

Mangels ausreichender, öffentlich zugänglicher Erklärungen hinsichtlich der Abbaubarkeit von Vinylal, schaute ich auch bei der ENFSI (European Network of Forensic Science Institutes) nach und selbst hier fand ich in einem Best Practice Handbuch über die forensische Untersuchung von Fasern (Pkt. 4.2.2, Seite 86) nur den Hinweis, dass Vinylal zu denjenigen Fasern gehört, die bei forensischen Untersuchungen selten angetroffen wird. 

 

Auf der Plastikverpackung des Herstellers steht im Übrigen der Hinweis aus 100% Polyvinyl Alkohol, in seiner Produkte-Beschreibung dann 100% Vinylal. Meine Suche nach einem geeigneten Stickvlies ist somit noch nicht abgeschlossen.

 

Zusätzlich zur Fahndung nach einem umweltfreundlicheren Modell, werde ich das grüne Pony nochmals sticken – ganz ohne Vlies. Vielleicht geht das doch mit bestimmten Leinengeweben? 

Noch ein paar Angaben zum eigentlichen Sticken des Ponys

Um das grüne Pony in der Größe 18,88 x 39,0 cm zu sticken benötigt es 169.700 Stiche, 45 Farbwechsel und 785,47 m Stickgarn. Böörnie braucht dafür – vorausgesetzt es läuft alles glatt und etwaige Wechselzeit nicht mitgerechnet – insgesamt rund 300 Minuten, also 5 Stunden.

 

Selbstredend machen wir dazwischen ausgiebige Pausen, schließlich arbeiten wir beide fair.

Kleine Anregung an alle Nähmaschinen-Hersteller/innen

eine Tüte auf einem Korkhintergrund aus der Fadenreste herausschauen

Beim Sticken ist es unumgänglich den Farbwechseln zu folgen, um ein ansprechendes Motiv hinzubekommen. Was mich dabei ungemein stört, ist die Verschwendung von Stickgarn. Je größer die Maschine, desto länger ist der Weg vom Garnrollenhalter bis zur Sticknadel. Muss man/frau also die Farbe des Garnes für den nächsten Stickabschnitt wechseln, ist der zuletzt genutzte Faden am hinteren Ende der Maschine (dort, wo das Garn vor dem Garnrollenhalter wieder aus der Maschine schaut) abzuschneiden und immer von vorne (als dort wo die Nadel sitzt) aus der Maschine herauszuziehen.

 

Das hat damit zu tun, dass im Inneren der Nähmaschine verschiedene Sensorenfelder verbaut sind, die den gesamten technischen Ablauf unterstützen – also IT. Diese kommt „durcheinander“, wenn das Fadenentfernen nahe der Garnrolle erfolgt und sollte demnach vermieden werden. Das bedeutet jedoch auch, dass pro Farbwechsel ziemlich viel Faden einfach nicht genutzt, sondern schlichtweg weggeschmissen werden muss.

 

Kann man/frau hier nicht mal etwas Innovatives erfinden, in Zeiten in denen wir von künstlicher Intelligenz zunehmend umringt werden? Dieser Vorgang betrifft im Übrigen nicht nur das Sticken, sondern auch das Nähen – da kommt einiges zusammen und es ist nicht nachhaltig. Ich wende mich mit dieser Notiz gleich an alle Maschinenhersteller/innen für den Hobbybereich – in der Annahme, dass es bei den meisten wohl ähnlich sein wird.

 

Diese Fadenreste werden weiterhin gesammelt, und – wer weiß – vielleicht gestalte ich daraus etwas Schönes, doch als ideal oder zeitgemäß empfinde ich das nicht gerade. 

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